Das Bild zeigt das «Prophetenfenster» in Zürich: Elischa beobachtet dort die Himmelfahrt des Elija im feurigen Wagen. Chagall war bei Beginn der Arbeit (1965) an den Zürcher Glasfenstern fast 80 Jahre alt.
Zwischen den Welten: Marc Chagall
Marc Chagall gilt in vielerlei Hinsicht als «Wanderer zwischen den Welten». Seine Bilder sehen auf den ersten Blick realistisch aus; ein zweiter Blick lässt Tiere oder Engel im Bild erkennen. Auch innerhalb seines Kunstschaffens wandert er von gemalten Bildern über Kostüm- oder Bühnenbildgestaltung bis hin zur Schaffung von Kirchenfenstern.

Geboren wurde Marc Chagall (Moische Chazkelewitsch Schagal) 1887 in Witebsk (Belarus). Gestorben ist er in Frankreich. Grosse Erfolge und noch grössere Niederlagen erlebte der Künstler in der russischen Hauptstadt Moskau. Frankreich war sein heimliches Traumland.
Künstler aus Begabung
Chagall ist in einem kleinen Dorf in Belarus aufgewachsen. Bereits in den Schuljahren entdeckte er sein Kunsttalent. Mit nicht einmal 20 Jahren konnte Chagall in St. Petersburg studieren, später in Moskau und mit 24 Jahren erhielt er bereits ein Kunststipendium für Paris.
Weil er 1937 als Jude von den deutschen Nazis auf die Liste der «entarteten Künstler» gesetzt und seine Bilder verboten wurden, emigrierte er 1941 nach Amerika – allerdings kam er sieben Jahre später wieder zurück nach Paris.
Wiederkehrende Motive…nicht nur in der Kunst
In vielen Bildern Chagalls finden sich Engel, Geigen oder Tiere mitten im Bild - das wurde fast zum Markenzeichen seiner Zeichnungen. Die Bildkenner vermuteten dahinter entweder biographische oder Traum-Symbole. Chagall hat sich immer gegen solche Deutungen verwahrt: «Es sind so viele Dinge im Reich der Kunst, für die schwer Schlüsselwörter zu finden sind. Aber warum eigentlich muss man unbedingt versuchen, diese Tore zu öffnen?»
Die Symbole beschränken sich nicht nur auf die Malerei. Sie kommen auch vor in Bühnenbildern, Kulissen, selbst auf Kostümen für Ballette von Tschaikowsky und Strawinsky und für Mozarts Zauberflöte. Zu finden sind sie auch in Glasfenstern der Kathedrale von Metz, der Klinik Hadassah (Jerusalem), der Kirche St. Stephan (Mainz) und natürlich des Fraumünsters (Zürich).
Chagall-Bibel
Chagall begann sich 1931 mit der Bibel zu beschäftigen, und sie liess ihn nicht mehr los. «Ich las die Bibel nicht, ich träumte sie«, beschrieb der Maler sein Verhältnis zur Heiligen Schrift. Seine Chagall-Bibel entstand in zwei Phasen zwischen 1931 und 1956. Er setzte dabei hauptsächlich Szenen aus dem Alten Testament bildhaft um.
Seine Bilder und Fenster bilden bis heute eine Brücke, das Judentum künstlerisch mit dem Christentum ins Gespräch zu bringen. Es lohnt sich, eine Chagall-Bibel mal näher anzuschauen oder im Fraumünster die Fenster mit einem «neuen» Blick zu betrachten.
Pfarrer Andreas Goerlich